Nach dem ersten Jahr im neuen Job teilt mir der Vorgesetzte mit, er müsse Donald befördern, er sei schliesslich ein junger Vater mit Familie.

Ich schlucke leer. Und ich? Schre’t es in mir: Ich bin eine junge alleinerziehende Mama! Ich schaue Chef nur an.

Eine junge, intelligente, gut ausgebildete und äusserst charmante Führungsfrau geht in eine Verhandlung mit einem Unternehmer. Zwei Teams bringen sich in Position. Wie beim Hockey. Sie zeigt ihm eine zwar gute, aber brave Powerpoint Präsentation. Nach einer halben Stunde unterbricht er sie: «I hate Powerpoint. Let’s discuss how we can work together.» Sie knickt ein. Sie hat nichts vorbereitet. End of story.

In meiner Familie gilt die Maxime: »Sei schön brav und folgsam, dann wird Dir alles offeriert, was Du Dir wünschst.» Natürlich funktioniert dies am Arbeitsplatz nicht. Es wird mich Jahre kosten, bis ich aus dieser Falle rauskommen werde. Meine Mama pflegte zu mir zu sagen: «Ach Sue, diskutiere doch nicht so heftig, die Männer mögen das gar nicht!»

Das Thema 𝗚𝗲𝗻𝗱𝗲𝗿 𝗣𝗮𝘆-𝗚𝗮𝗽 hat sehr viele unterschiedliche Facetten.

Einer der Hauptgründe, warum Frauen lohnmässig benachteiligt werden, liegt an der Art und Weise, wie sie sozialisiert werden. Frauen lernen nicht, hart zu verhandeln.

In den Familien sind es die Männer, Väter, Onkel, Grossväter, Brüder und Vettern, die verhandeln. Mit Handwerkern, Garagisten, in Erbschaftsangelegenheiten, in der Familie, und natürlich im beruflichen Alltag und im Geschäftsleben.

Generell geben Frauen die Verantwortung für ihr Leben tendenziell in andere Hände: Den Partner, den Vorgesetzten, die Gesellschaft. Selbstverantwortung zu übernehmen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Für Männer sind Verhandlungen eine Art Kampfsport. Sie ersetzen in der Neuzeit die uralten Rangkämpfe, die physisch ausgetragen wurden: Gemeinsame Jagden, Wettkämpfe bis zu Ringkämpfen, wie man sie heute nach an den Schweizerischen Schwingfesten sieht. Nichts geht über einen guten Wettstreit, im Sport und im Beruf. Ein richtiger Mann macht mit, drückt sich nicht.

Die Männer haben das (meistens) drauf. Die können das.

Das ist auch der Grund, warum ein Mann in den allermeisten Fällen erst mal «Nein» sagen wird, wenn man ihn um etwas bittet oder etwas einfordert, eine neue Waschmaschine oder eine Lohnerhöhung. Das NEIN ist die Einladung zur Verhandlung. Es gibt sehr gute Familien, in denen die Männer alle Entscheidungen gemeinsam treffen und anschliessend die Frauen, Mütter, Töchter, Enkelinnen und Grossmütter, Tanten und Nichten informieren. Wird in der Familie doch einmal etwas von den Frauen beschlossen, beginnen die Männer meistens nochmals von vorne mit Verhandlungen. Eine Ausnahme bilden matriarchalisch orientierte Familie. Dort entscheiden die Frauen unter sich oder gemeinsam mit den Männern.

Verhandeln Frauen nicht?

Sie haben es nicht gelernt

Sie befürchten, nicht mehr geliebt zu werden.

Sie befürchten, von den Männern nicht mehr geliebt zu werden. Ich kenne alle Argumente auswendig:

«Das geht nicht. Sie ist kompetitiv. Sie ist schwierig. Sie ist mühsam. Sie ist unweiblich.»

Verhandeln Frauen vielleicht anders? Ihr Ziel ist fast immer die Übereinstimmung, eine harmonische Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird, eine Lösung ohne Sieger und Besiegte, ohne Gesichtsverlust, eine Lösung, die nicht einer Partei Recht und der andern Unrecht gibt.  In der Führung ist das Erarbeiten von Win-Win-Lösungen sogar ein Vorteil.

Geht es jedoch darum, sich in einer harten Verhandlung durchzusetzen, fehlen vielen Frauen die notwendigen Strategien, die Taktik. Sie wissen nicht, wie männliche Verhandlungspartner kämpfen, dass sie überzeugt werden wollen.

Auch der Lohn wird zu einem Verhandlungsergebnis – Verhandlungen aber erfordern vor allem gute Vorbereitung und Hartnäckigkeit. Frauen (und Männer) sollten nicht passiv auf das Lohnangebot warten und dieses demütig schlucken, sondern proaktiv konkrete Lohnvorstellungen zu entwickeln und -Forderungen klar zu stellen – sowie allenfalls ebenso mutig den Arbeitgeber zu wechseln.

Übrigens kriegen auch die Männer ihre Lohnerhöhungen und Beförderungen nicht geschenkt: Auch sie müssen sich dafür anstrengen und beweisen. Nur sind die meisten Männer eben so sozialisiert, dass sie VERHANDELN anstatt sich zu ducken. Verhandlungen erfordern Vorbereitung und Hartnäckigkeit!

Informieren Sie sich über das Lohnsystem in Ihrem Unternehmen. Bund und Kantone veröffentlichen oft diese Angaben, sodass Sie genau sehen können, welche Aufgaben wie bezahlt werden. Arbeiten Sie in der Privatwirtschaft, dokumentieren Sie sich bei Ihrem Berufsverband.

Mehrwert und Mehrleistung bedeuten nicht notwendigerweise, mehr zu schuften.

Es bedeutet vor allem, clever und strategisch zu arbeiten. Das Unerwartete bieten. Go the extra Mile. Routine-Jobs zeitsparend automatisieren oder delegieren oder weglassen, falls dies Sinn macht.

Konzentrieren Sie sich auf anspruchsvollere Aufgaben, die noch gar nicht zu Ihrem Pflichtenheft gehören: Projekte, organisatorische Aufgaben, strategische Aufgaben, beispielsweise das Jahresbudget für Ihren Vorgesetzten vorbereiten. Melden Sie sich freiwillig für schwierige Aufgaben, übernehmen Sie um Gotteswillen keine «Haushalt-Jobs» wie Kaffee kochen oder Blumen giessen.

Machen Sie regelmässig hochwertige Verbesserungsvorschläge bezüglich verbesserter Organisation, neuen Kooperationen, innovativen Produkten. Bringen Sie neue Gross-Kunden. Landen Sie Gross-Aufträge.

Networken Sie über alle Grenzen hinweg: Bauen Sie sich eine starke Lobby in der Geschäftsleitung des eigenen und anderer Unternehmen auf. Zeigen Sie, was Sie können. Machen Sie sich unentbehrlich! Zeigen Sie dem Vorgesetzten die Vorteile auf, die Sie für ihn, für die Abteilung und für das Unternehmen in der neuen Position erschaffen. Gibt es keine passende freie Position? Dann regen Sie an, dass eine Position für Sie geschaffen wird: Beispielsweise Eine Projektleitung zur Einführung eines wichtigen neuen Programms, eine Budget-Planstelle, die alle Angaben für das Jahresbudget der Geschäftsleitung vorbereitet, Ressourcenplanung und Verwaltung, eine Superviser-Funktion. Oder was immer in Ihren Begabungen liegt.

Vor dem Mitarbeitergespräch führen Sie das ganze Jahr ein Log über alle diese Punkte mit Datum, Ziel, Resultat, genaueren Umständen, die Sie im Mitarbeitergespräch einbringen. Das Mitarbeitergespräch bereiten Sie strategisch vor:

 Was sind Ihre Ziele? Wollen Sie mehr Geld, mehr Zeit, mehr Kompetenzen, eine bezahlte teure Weiterbildung, die Sie auf eine höhere Position vorbereitet? Sind Sie bereit für mehr Verantwortung?

Ab einer bestimmten Lohnklasse ist Mitarbeiterführung obligatorisch. Führen Sie gerne und gut? Go for it! Ist Ihnen Führung ein Graus, denken Sie sich eine Fachkarriere aus. Strategische Planung und Controlling der Geschäfte der Geschäftsleitung, Projektüberwachung, anspruchsvolle Statistiken per Knopfdruck produzieren, um nur ein paar Beispiele zu nennen.

Falls ein Nein kommen sollte, bleiben Sie beharrlich. Fragen Sie, was Sie leisten müssen, um die gewünschte Beförderung bzw. Lohnerhöhung zu erhalten.

Suchen Sie sich einen erfahrenen Sparring-Partner, mit dem Sie den gesamten Prozess durcharbeiten, testen und üben können. Lernen Sie Verhandlungs-Jiu-Jitsu, lesen Sie Getting to Yes, Das Harvard-Verhandlungskonzept, von Fisher und Ury:

1. Behandeln Sie Menschen und Probleme getrennt voneinander.

2. Konzentrieren Sie sich auf die Interessen, nicht auf die Positionen der Parteien.

3. Entwickeln Sie vor der Entscheidung verschiedene Auswahlmöglichkeiten.

4. Bauen Sie das Ergebnis auf objektiven Entscheidungskriterien auf.

And don’t take no for an answer. Suchen Sie so lange nach einer Lösung, bis ein gemeinsamer Kompromiss gefunden werden kann. Vielleicht müssen Sie eine Zusatz-Leistung erbringen oder zu Gunsten einer Lösung auf etwas anderes verzichten.

Sind Sie unsicher? Gerne unterstütze ich Sie auf Ihrem Weg in eine neue Position und zu einem besseren Lohn. Für ein kostenloses Erstgespräch senden Sie mir eine email an coaching@susanne-keller.ch oder rufen Sie mich an: 079 3745904.

Literatur:

Getting to Yes, Das Harvard-Verhandlungskonzept, von Fisher und Ury, 2011

Women don’t ask, Neotiation and the Gender Divide. Babcock and Laschever, 2003

Talking from 9 to 5, Women and Men in the Workplace, Language, Sex and Power, Tannen. 2001

Staatliche Stellen veröffentlichen ihre Lohntabellen.

Infos über Löhne in der Privatwirtschaft finden Sie hier:

Lohnrechner des Bundesamts für Statistik

Lohnrechner des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes

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